Einfach mal den Spieß umdrehen: Eine Klassenarbeit zum Thema "Bruchrechnung" inklusive Lösungsblatt wird von den Kindern selbst entwickelt. Alle Hilfsmittel bis auf das Mathebuch sind zulässig und das Produkt kann sowohl handschriftlich als auch am PC erstellt werden. Die DIY-Klassenarbeit stellt den Abschluss der Unterrichtseinheit dar, ist aber durch ihre Aufgaben-Offenheit wesentlich aussagekräftiger als eine klassische Mathematikarbeit.
In der Unterrichtseinheit zum Thema Bruchrechnung (6. Klasse) wurden die Teilbereiche "Erweitern und Kürzen", "Gemischte Zahlen", "Dezimalzahlen" und "Prozente" behandelt und intensiv geübt. An diesem Punkt würde nun normalerweise eine Klassenarbeit stehen. Stattdessen wurde mit den Schüler*innen eine Stunde aufgewendet, um über den Aufbau einer Klassenarbeit zu sprechen und ein Konzept zu entwickeln, wie man selbst eine Mathematikarbeit aufbauen würde. Die Motivation war durch den Perspektivwechsel sehr hoch. Dadurch, dass den Lernenden die Grundprinzipien aus eigener Erfahrung bekannt waren, konnte direkt über mögliche Inhalte und Formalia einer schriftlichen Leistungsüberprüfung gesprochen werden.
Zusammen mit den Kindern wurde ein Format entwickelt, das kurz "Do-it-yourself-Klassenarbeit" genannt werden kann - eine selbst entwickelte Klassenarbeit mit Textaufgaben, Festlegung eines Schwerpunktes und Lösungsblatt.
Ablauf, Zeitraum, Bewertung und Regeln wurden zusammen abgestimmt und für das Projekt festgelegt, sodass für alle transparent wurde, wie die Projektnote zustande kommt. Während des Projektzeitraums bestand die Möglichkeit, Feedback von der Lehrkraft und den Mitschüler*innen einzuholen.
Am Ende des Projektes wurde über das Format gemeinsam reflektiert.
Dadurch, dass die Kinder im Distanzunterricht beschult wurden, war der Ort für die Erstellung der DIY-Klassenarbeit frei wählbar. Es bestand auch die Möglichkeit, im Rahmen der Notbetreuung in der Schule (auch mit Unterstützung des pädagogischen Personals) an den Projekten zu arbeiten..
Vor dem Beginn des Projektes wurde eine Stunde aufgewendet, um Formalia und Inhalte zu besprechen. Während des Projektzeitraums von einer Woche wurde auch weiter zum Thema Bruchrechnung geübt und es bestand die Möglichkeit für Feedback von Lehrkraft und Mitschüler*innen. Im Anschluss daran wurde in einer Stunde reflektiert, Feedback gegeben und stichprobenartig geprüft, ob die Aufgaben von den Schüler*innen zu lösen waren.
Das Material war weitestgehend frei wählbar - einzig das Mathematikbuch und Arbeitsheft waren tabu und nur als Referenzmaterial erlaubt. Die Kinder hatten die Motivation, sich selbst Aufgaben auszudenken und wollten ein bloßes Kopieren aus dem Buch verhindern. Das Abwandeln von Aufgaben aus dem Mathebuch war jedoch gestattet. Bei der Frage nach "Aufgaben aus dem Internet" kam direkt der Einwand, dass man als Lehrerin oder Lehrer bei der Erstellung einer Klassenarbeit ebenfalls im Internet recherchieren könne und die Aufgabe im Zweifelsfall erklären können müsse.
Es gab bis auf das Produkt "Klassenarbeit" und die Lösbarkeit der Aufgaben keine weiteren Einschränkungen. Den Kindern standen eigentlich Beispiele für verschiedene Aufgabenformate im Mathematikbuch zur Verfügung, die sie einfach hätten abwandeln können, um alle Bedingungen zu erfüllen. Dennoch wurden verschiedenste Aufgabenformate ausprobiert und entwickelt, insbesondere bei den Textaufgaben.
Die Schüler konnten sich während des Projektzeitraums stets am Mathematikbuch als Referenzpunkt für die Inhalte orientieren und auch sämtliche weiteren Quellen für ihre DIY-Klassenarbeit nutzen.
Das klassische Format einer schriftlichen Leistungsüberprüfung sollte nicht allzu sehr verändert werden. Es bestand jedoch prinzipiell die Möglichkeit, handschriftlich oder am PC zu arbeiten, um die DIY-Klassenarbeit zu entwerfen. Es wurden auch bebilderte Aufgaben entwickelt. Die meisten Kinder entschieden sich für die handschriftliche Variante, aber es kamen auch 4 am PC erstellte Produkte zurück. Durch die Benennung einer "Schwerpunktaufgabe" (die für die Schüler*innen anspruchsvollste Aufgabe) ist erkennbar, welche Teilgebiete noch schwer fallen.
Das Feedback erfolgte einerseits innerhalb des Projektzeitraums während der Video-Unterrichtsstunden durch die Lehrkraft und Mitschüler*innen, indem Fragen gestellt werden konnten und Aufgaben diskutiert wurden. Andererseits bekamen die Kinder nach dem Projektzeitraum in der Reflexionsrunde und abschließend auch durch eine Note eine Rückmeldung zu ihren Ergebnissen.