Durch die viele Freiheit mit Hilfsmitteln habe ich zumindest gemerkt, dass man vieles trotz Möglichkeit auch ohne Hilfe schaffen kann.

Lea, 10. Klasse
Online-Klassenarbeit

Steffen Siegert

Mathematik: Aufbau und Aufgaben einer Online-Klassenarbeit

Mit zunehmender Dauer des Onlineunterrichts und des daraus resultierenden "Staus" an Leistungsmessungen, habe ich meiner Klasse vorgeschlagen das Wagnis Online-Klassenarbeit einzugehen, um uns im Prüfungsendspurt ein wenig Luft zu verschaffen. Dieses Angebot wurde sehr begeistert aufgenommen, wenngleich natürlich gleich viele Fragen im Raum standen.

Unterrichtsvorhaben

Ziel war es eine Klassenarbeit in einer Abschlussklasse zu schreiben, die einerseits den erschwerten Bedingungen Rechnung trägt, die aber auch die Schüler:innen auf die anstehenden Abschlussprüfungen vorbereitet und somit dem vorgegebenen Standard genüge tut. Im Folgenden möchte ich skizzieren, wie diese Arbeit abgelaufen ist.

Aufgabenstellung

Zunächst habe ich mit der Klasse den Text von Lars Mecklenburg "Bevor du beginnst" gelesen. Im Anschluss daran haben wir gemeinsam und kollaborativ mittels Word eine "Academic Honesty Erklärung" erstellt. Via Teams wurde die fertige Erklärung dann an alle Schüler:innen ausgegeben und von diesem unterschrieben an mich zurückgegeben. Es waren also alle bereit sich an die Regeln zu halten, die man gemeinsam aufgestellt hat, um für eine faire Arbeit zu sorgen.

Neben “alle Hilfsmittel sind erlaubt”, war aber auch klar artikuliert worden, dass diese Hilfsmittel genannt sein müssen. Sofern Personen als Hilfsmittel herangezogen werden war in der Erklärung vermerkt, dass diese nur Tipps oder Impulse geben, aber nicht die komplette Aufgabe lösen dürfen. Ein Wunsch von mir war es - tatsächlich aus diagnostischer Sicht - die benötigte Dauer für jede Aufgabe festzuhalten, damit ich eine Rückmeldung darüber habe, wie die Schüler:innen vor dem Hintergrund des Zeitdrucks in der Prüfung stehen.

Der zeitliche Rahmen wurde von mir bewusst sehr offen gehalten. Um 7.30 Uhr schaltete sich die Aufgabe mit der Klassenarbeit frei und um 15 Uhr musste die Arbeit wieder abgegeben sein, digital oder analog.

Ich hatte im Vorfeld zwei Klassenarbeiten erstellt mit jeweils fünf Aufgaben. Aufgabe drei war in beiden identisch, hierzu später mehr. Die Aufgaben 1, 2, 4 und 5 habe ich nun so gemischt, dass am Ende vier Klassenarbeiten entstanden (1-1; 1-2; 2-2; 2-1). Hintergrund war, dass ich wollte, dass die Schüler:innen sich auch gegenseitig unterstützen, ich wollte es aber verhindern, dass die guten “gemolken” werden. Dadurch, dass es schwieriger war jemanden zu finden, der die gleichen Aufgaben hatte, entstand zwar eine Art interne Kontrolle, aber auch die Notwendigkeit mit Mitschüler:innen zu kommunizieren, die ansonsten nicht zu meinen “best friends” gehören.

Die Aufgaben 1-2 und 4-5 waren Standard Prüfungsaufgaben, wie sie in bisherigen Prüfungen drankamen und vermutlich in ähnlicher Form auch weiterhin drankommen werden. Auf diese möchte ich nicht gesondert eingehen, diese waren mein Tribut an die Abschlussprüfung. Die Aufgabe 3 befasste sich mit dem Einheitskreis. Ein Thema mit dem sich die Schüler:innen schwer taten und ich mehr als einmal gebeten wurde keine Aufgabe hierzu zu stellen. Dass ich es tun würde, war aber klar, die Art der Aufgabe hat aber überrascht:

Zunächst erhielten die Schüler:innen Zugang zu einer Webseite, die die Sinus- und kosinuskurve des Einheitskreises gezeichnet und abgebildet haben. Für mich entscheidend ist, dass die Aufgabe den Operator “Erkläre” beinhaltet. Es muss in Schrift oder Video ein recht komplexer Sachverhalt erklärt werden. Da wir bereits mit Flipgrid gearbeitet hatten, habe ich diesen Weg ebenfalls offen gelassen - er wurde nur von einem Schüler gewählt. Dennoch zeigte sich, dass sich die Schüler:innen schwer taten etwas zu erklären. Ehrlicherweise steckt ja weitaus mehr dahinter: analysieren, erkennen und dann erklären. Meines Erachtens ein komplexer Prozess, der auch andere Formen der Bewertung benötigt. Es recihte hier nicht aus “Schlagworte” abzuhaken. Vielmehr konnte man hier von “einfacher” Sprache als Lösungsbeschreibung bis hin zu mathematischen Beweisen, z.B. durch Vergleiche zu einer Lösung kommen.

Formatreflexion

Raum

festgelegt
frei wählbar

Die Schüler:innen konnten über den Raum frei entscheiden. Wer gewollt hätte, der hätte es in der Schule schreiben können, es blieben allerdings alle zuhause, hatten alle Infos Unterlagen und Materialien und wählten den Raum selbst.

Zeit

festgelegt
entgrenzt

Es gab eine zeitliche Vorgabe, diese war allerdings sehr großzügig bemessen (7.30 - 15 Uhr). Die Schüler:innen waren angehalten ihre Bearbeitungszeit festzuhalten, weshalb ich den Regler mittig positioniert habe.

Material

vorgegeben
frei wählbar

Das Material war einerseits vorgegeben (Taschenrechner, Formelsammlung, Zeichengeräte), was war aber auch frei ergänzbar. Auch hier daher der Regler in der Mitte.

Aufgaben

geschlossen
offen

Auch bei den Aufgaben ein mittiger Schieberegler, da 4 der 5 Aufgaben insofern geschlossen waren, da das Ergebnis klar numerisch festgelegt war. Der Weg dorthin war allerdings offen und so waren sowohl zeichnerische, rechnerische und argumentative Wege möglich.

Hilfsmittel

keine
freie Wahl

Es gab keine Einschränkung, die Schüler:innen konnten alles und jeden Verwenden. Die Einschränkung erfolgte durch die zuvor unterschriebene Erklärung.

Produkt

handschriftlich
multimodal

Die Arbeit zielte auf eine handschriftliche Abgabe ab. Bei Aufgabe 3 war ein multimodaler Ansatz möglich. Dieser hätte auch problemlos bei den anderen Aufgaben Anwendung finden können.