Es ist zwar Druck da wegen des neuen Formates, aber der Klausurdruck ist viel kleiner. Man war trotz neuer Herausforderungen viel besser vorbereitet, weil man seinen eigenen Schwerpunkt wählen konnte.

Schülerin, 12. Klasse
Open-Media-Klausur

Lars Zumbansen

Deutsch: Portfolio mit eigenem Analysefokus zu Kurzgeschichten von Judith Hermann

Die Open-Media-Klausur war die erste schriftliche Leistungsüberprüfung eines Deutsch-Grundkurses im Halbjahr 12.1 und dem obligatorischen inhaltlichen Schwerpunkt “Strukturell unterschiedliche Erzähltexte aus unterschiedlichen historischen Kontexten” in NRW zugeordnet, der u.a. eine Fokussierung auf die Kurzgeschichte “Sommerhaus, später” von Judith Hermann vorsieht.

Unterrichtsvorhaben

Die Klausur ist eingebettet in ein von den Schülern zu erstellendes Analyseportfolio, in welchem es darum geht mit Hilfe “textübergreifender Untersuchungsverfahren”, die selbst zu wählen sind, die Kurzgeschichte “Sommerhaus, später” aspektorientiert zu erschließen. Mit Hilfe eines Materialpadlets (s.u.) werden den Schüler*innen mögliche Themenaspekte und entsprechende Sekundärquellen ausgebreitet, es sind jedoch auch eigene Schwerpunktsetzungen möglich. Diese reichen von kultursoziologischen Fragestellungen zur Szenenkultur und der “Erlebnisgesellschaft” der 1990er Jahre bis hin zu kommunikations- oder literaturtheoretischen Fokussierungen. Neben der Produktion eines “Text-Snap-Videos” zu der gewählten Sekundärquelle gilt es eine schriftliche Analyse mit eigenem Untersuchungsfokus zu der Kurzgeschichte Judith Hermanns anzufertigen. Der gesamte Prozess wird im Unterricht selbst durch Beratungsgespräche und Feedback zu den Schreibproben begleitet. Die Ergebnisse dienen als Vergleichsgrundlage für die Auseinandersetzung mit dem Fremdtext in der Klausur. In der Klausur selbst können die Schüler aus dem Textkorpus der aus dem selben Erzählband stammenden Kurzgeschichte “Bali-Frau” eigene Textstellen für ihre Analyse auswählen. Dabei erfolgt ein Transfer auf eigene Analyseergebnisse und eine Einbettung in das Portfolio, was insgesamt trotz gleicher Textfolie hochgradig individuelle Lernprodukte hervorbringt.

Formatreflexion

Raum

festgelegt
frei wählbar

Die Schüler*innen hatten die Möglichkeit die Klausur zuhause zu schreiben, konnten jedoch zwecks besserer Arbeitsbedingungen (WLAN, konzentrierte Arbeitsatmosphäre) einen “study room” (hier Selbstlernzentrum) in der Schule buchen. 2 von 16 haben das Angebot angenommen.

Zeit

festgelegt
entgrenzt

Die Klausur wurde an einem Studientag für die Schüler geschrieben. Durch die einheitliche Festlegung der Klausurlängen in der Q-Phase umfasste die GK-Klausur 155 Minuten. Da die Schüler*innen jedoch eine eigenständige Auswahl des Textausschnittes vornehmen konnten, erhielten sie zusätzlich 30 Min. Auswahlzeit. Zusätzlich wurde die Klausur durch eine vor- und nachgeschaltete Videokonferenz zur Aufgabenklärung/ Abgabesicherung flankiert.

Material

vorgegeben
frei wählbar

Für die Analyse erhielten die Schüler*innen umfangreiche Auszüge aus dem vorgegebenen Fremdtext, aus dem sie jedoch, abhängig von ihrem Figuren- und Analysefokus, geeignete Textstellen (en block oder versetzt) als Referenzquelle wählen konnten.

Aufgaben

geschlossen
offen

Die Klausur sah einen allgemeinen Analyserahmen vor, der ausgewähltes Figurenverhalten, Beziehungsstrukturen sowie erzähltechnische Mittel erfassen sollte. Spezifiziert wurde die Aufgabe jedoch durch den je individuellen Analysefokus (z.B. soziologisch, entwicklungspsychologisch, kommunikationstheoretisch, literaturwissenschaftlich etc., vgl. Padlet).

Hilfsmittel

keine
freie Wahl

Die Schüler*innen konnten während der Klausur auf alle selbstgewählten Materialien (analog und digital), insbesondere auf das eigene Analyseportfolio, die gewählten Sekundärquellen sowie die Arbeitsmaterialien zur Erzähltechnik zurückgreifen.

Sozialform

einzeln
zusammen

Die Klausur war auch durch die Individualisierung der Analyseportfolios als Einzelarbeit angelegt. Das Format der Open-Book-Klausur hat aber ausdrücklich eine wechselseitige Hilfestellung unter den Schüler*innen ermöglicht. Diese wurde - laut Evaluation - punktuell in Form eines offenen Audiogruppenchats während der Klausur bei allgemeinen Verständnisfragen zum Text genutzt.

Produkt

handschriftlich
multimodal

Im Kurs wurde auch mit Blick auf das Abitur das handschriftliche Verfassen als allgemeiner Vergleichsstandard (auch der Darstellungsleistung) in der Klausur abgestimmt. Einige schrieben dazu analog und luden anschließend ihre abfotografierten Texte im LMS hoch, andere schrieben direkt mit einem aktiven Stift auf dem Tablet. Als Teil des gesamten Analyseportfolios stellte das “Text-Snap-Video” jedoch einen multimodalen Transfer der bearbeiteten Sekundärquelle dar, der eine aufmerksamkeitsökonomisch und wahrnehmungspsychologisch sinnvolle Verknüpfung von Bild- und Textinformation vorsah.

Feedback

summativ
formativ

Der Arbeit am Analyseportfolio waren individuelle Beratungsgespräche im Unterricht (präsentisch oder via Videokonferenz) vorgelagert. Das gesamte Analyseportfolio selbst hat sodann mehrere Feedback-Schleifen durchlaufen. Neben Peer-Feedbacks zu den Videos haben die Schüler*innen durch den Lehrer auch regelmäßige schriftliche und auditive Feedbacks im Schreibprozess erhalten. Die Klausur selbst wurde summativ anhand eines adaptiven Erwartungshorizontes bewertet. Die dazu erstellten Videofeedbacks mündeten dann jedoch wieder in aspektorientierte Teilüberarbeitungen, die vor allem der Ausschärfung der individuellen Deutungshypothesen bzw. deren präziserer Fundierung dienten.

Erwartungshorizont (PDF)